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11.09.2012 Finanzimperium im Haus zum grünen SchildVor zweihundert Jahren starb Mayer Amschel Rothschild in FrankfurtSein Bankhaus war kaum zehn Quadratmeter gro?. In einem einzigen Raum in seinem Haus zum grünen Schild in der Frankfurter Judengasse hatte Mayer Amschel Rothschild seit 1786 sein Kontor. Hier legte er den Grundstein für den Aufstieg seiner Familie und seines Unternehmens zu einem europ?ischen Finanzimperium. Frankfurt am Main (pia) Der Laden in dem kleinen Zimmerchen brummte. Sp?testens seit Rothschild mit zwei Kompagnons 1792 der Einstieg in das Gesch?ft mit Heereslieferungen an die kaiserlichen Truppen geglückt war, traten sich die Kunden regelrecht auf die Fü?e. Das Geld lag hier tagsüber in einem offenen Schrank und wurde abends in einer Kiste verschlossen. Um den Soldaten ihren Lohn in barer Münze auszahlen zu k?nnen, wurden tagt?glich gro?e Geldlieferungen durch das Kontor geschleust, die in S?cke zu je 1.000 Gulden verpackt und an die Armee weitergeliefert wurden. Es waren solche Geldmengen, dass sogar der Prinzipal zeitweise den überblick verlor: Rothschilds Knecht konnte immer wieder gr??ere Geldbetr?ge stehlen, ohne dass dies auffiel. Letztlich griff Rothschild durch, stellte einen Buchhalter ein, organisierte die Firma neu und führte sie mit strategischem Geschick weiter zur Blüte. ?Der kommandierende General“ – so nannten ihn seine fünf S?hne, wenn sie unter sich waren. Das Haus zum roten Schild gab den NamenVor 200 Jahren, am 19. September 1812, starb Mayer Amschel Rothschild in Frankfurt. Nach seinem Tod schwirrten seine S?hne in alle Himmelsrichtungen aus, nach London, Paris, Wien und Neapel, um das vom Vater begründete Bankhaus bald zu weltweitem Ruhm und Erfolg zu führen. Der Stammsitz blieb jedoch in Frankfurt, wo einst im engen und düsteren Ghetto der Judengasse alles begonnen hatte. Im Jahr 1567 errichtete dort ein Vorfahr das Haus zum roten Schild, das der Familie den Namen gab – auch wenn sie schon zwei Generationen sp?ter in ein anderes Haus umzog. In jenem Haus zur Hinterpfann wurde Mayer Amschel Rothschild als Sohn eines kleinen Handelsmanns am 23. Februar 1743 oder 1744 geboren. Sein genaues Geburtsjahr ist nicht bekannt, und auch über seine Kinder- und Jugendjahre wei? man fast nichts. Mit elf Jahren wurde er zum Studium auf die Jeschiwa nach Fürth geschickt, um Rabbiner zu werden. Nach dem Tod beider Eltern innerhalb eines halben Jahres 1755/56 musste er das Studium jedoch abbrechen. Stattdessen wurde er bei dem Bank- und Handelshaus von Wolf Simon Oppenheimer in Hannover in die Lehre gegeben. Gesch?fte mit dem ErbprinzenMit etwa 20 Jahren, um 1763/64, kehrte Mayer Amschel Rothschild in sein Geburtshaus in der Judengasse zurück. Hier gründete er, zun?chst zusammen mit seinem früh verstorbenen Bruder Kalman, ein eigenes Handelsgesch?ft. Unverzüglich spezialisierte er sich auf Münzen, Medaillen, antike Kunstgegenst?nde und Juwelen, deren Verkauf er als Versandhandel anhand von Katalogen und zu Messezeiten über Versteigerungen organisierte. Sein erster bekannter Gesch?ftsabschluss war 1765 der Verkauf von Medaillen im Wert von 38 Gulden und 30 Kreuzern an den Erbprinzen Wilhelm von Hessen-Kassel, der damals als Regent der Grafschaft in Hanau residierte. Diese Gesch?ftsbeziehung sollte für den weiteren Aufstieg Rothschilds sorgen. Bereits 1769 wurde der Münzh?ndler zum Fürstlich Hessen-Hanauischen Hoffaktor ernannt, was ihm ein gewisses Renommee verlieh. Ein Jahr sp?ter heiratete Mayer Amschel Rothschild die Kaufmannstochter Gutle Schnapper; von 1771 bis 1792 wurden dem Ehepaar insgesamt 19 Kinder geboren, von denen fünf S?hne und fünf T?chter das Erwachsenenalter erreichten. Die Familie lebte seit 1786 im Haus zum grünen Schild in der Judengasse, das Rothschild zum stattlichen Preis von 11.000 Gulden erworben hatte und das sp?ter als Stammhaus der Familie bekannt wurde. Im Kontor, das in einem kleinen Raum im Erdgeschoss untergebracht war, arbeiteten die ?ltesten S?hne Amschel, Salomon und Nathan bald schon, seit ihrem 13. oder 14. Lebensjahr, mit. Erfolg in EnglandZielstrebig baute Mayer Amschel Rothschild sein Gesch?ft auf und aus. Bereits zu Beginn der Siebzigerjahre war ihm der Einstieg in den Wechselhandel, vor allem mit dem Hanauer Hof, gelungen. Durch die Gewinne aus den Heereslieferungen an die kaiserliche Armee seit 1792 prosperierte das Unternehmen gewaltig, und seit 1795 handelte die Firma zudem erfolgreich mit Tuchen und anderen Waren aus England. Um dort den Warennachschub zu sichern, schickte Rothschild 1798 seinen dritten Sohn Nathan nach England, wo dieser rasch mit gro?em gesch?ftlichem Erfolg agierte. Dank seiner alten Hanauer Beziehungen stieg Mayer Amschel Rothschild derweil in Kassel zum Hofbankier des erst als Landgraf, dann als Kurfürst regierenden Wilhelm auf. In Kassel, wo Rothschild eine erste Niederlassung errichtete, begann er den Handel mit Obligationen aus Staatsanleihen. Schon bald nach der Auflage seiner ersten eigenen Staatsanleihe 1804 konnte Rothschild auf dem Markt mit den führenden Frankfurter Bankh?usern Gebr. Bethmann und Rüppell & Harnier konkurrieren. W?hrend der franz?sischen Besatzungszeit verwaltete er das Verm?gen des im Exil lebenden Kurfürsten. Auch bewahrte er einige Kisten mit Akten für Wilhelm I. auf – was zu der Legende führte, Rothschild habe den gesamten kurfürstlichen Schatz gerettet. Rechtliche Gleichstellung gefordertIn den Jahren vor seinem Tod stellte Mayer Amschel Rothschild noch wichtige Weichen für die Zukunft. Durch einen neuen Gesellschaftsvertrag von 1810 gründete er die Firma Mayer Amschel Rothschild & S?hne. Damit nahm er nicht nur seine beiden ?ltesten S?hne Amschel und Salomon, die bereits seit 1796 seine Partner waren, sondern auch die beiden jüngeren Kalman und Jakob als Teilhaber in das Gesch?ft auf; Nathan hatte inzwischen (1804) sein eigenes Bankhaus in London gegründet. 1809 hatte Mayer Amschel Rothschild einen Bauplatz im n?rdlichen, 1796 abgebrannten Teil der Judengasse erworben, auf dem sp?ter das neue Frankfurter Bankhaus entstand – au?erhalb des Ghettos. Die rechtliche Gleichstellung der Frankfurter Juden war Mayer Amschel Rothschild ein wichtiges Anliegen. Auf seine ma?gebliche Initiative hin stellte der damals regierende Gro?herzog Carl Theodor von Dalberg im Dezember 1811 die Frankfurter Juden den anderen Bürgern gleich. Die dafür geforderte Abl?sesumme war schlie?lich mit Rothschilds Hilfe aufgebracht worden. Am 28. Februar 1812, nur ein paar Monate vor seinem Tod, konnte sich Mayer Amschel Rothschild mit seiner Frau Gutle stolz in das Bürgerbuch der Stadt Frankfurt am Main eintragen. Sabine Hock |
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